Menschen als Staatsangehörige
Die intellektuellen Fähigkeiten der überwiegenden Mehrzahl der Menschen reichen mit Sicherheit aus, um allen Lebenslagen gewachsen sein zu können. Auch unsere Politiker verfügen in der Regel über eben diese intellektuellen Voraussetzungen. Wie kann es dann aber sein, dass den Staatsangehörigen der Bundesrepublik Deutschland die Fähigkeit abgesprochen wird vernünftige Entscheidungen für das Gemeinwohl treffen zu können? Mit Beginn des Wirtschaftswunders, zu Beginn der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts, haben sich die Menschen in der Bundesrepublik Deutschland schleichend selbst entmündigt. Es ging ihnen stetig besser. Zudem hat der Staat ihnen alle wesentlichen Entscheidungen abgenommen, was der Freizeit und dem Wohlergehen des Einzelnen zuträglich war. In Zeiten zunehmenden Wohlstands fehlte es an der Einsicht, man müsse sich dennoch um seine Belange angemessen kümmern. Eine Spirale der Selbstentmündigung kam in Gang.
Heute haben die Menschen erkannt, dass die Regierenden ihre Probleme nicht mehr lösen können. Statt sich aber nun selbst kundig und damit mündig zu machen, um selbstbewusst den Status des Souveräns in unsere Demokratie einzubringen, agieren sie mit Nadelstichen gegen die Regierenden. Verweigerung der Teilnahme an Wahlen, Protestwählen und Reichsbürgertum sollen ihre Unzufriedenheit mit den bestehenden Verhältnissen dokumentieren. Das tatsächliche Ergebnis sind jedoch totale Verwerfungen bei der Zusammensetzung der politischen Gremien. Der Staat hat sich offensichtlich mit diesem Zustand abgefunden. Es ist nicht zu erkennen, dass ernsthafte Bestrebungen unternommen werden den Souverän wieder „fit“ zu machen. Stattdessen wird mit kindischer Wahlpropaganda und Worthülsen um die Stimmen der Wähler gebuhlt. Für ein kulturell so hoch entwickeltes Land wie die Bundesrepublik Deutschland stellt das den völligen Bankrott politischer Betätigung dar. Die Folgen daraus sind seit langem erkennbar. Der Staat wird verwaltet und nicht regiert, er verharrt auf der Stelle, statt die Weichen für die Zukunft zu stellen.
Geht man davon aus, dass die Staatsbürger politischen Entscheidungen, die für unser aller Zukunft wichtig sind, nicht nur tragen sondern auch treffen können, müssen daraus die richtigen Folgerungen gezogen werden. Die Regierenden müssen den Mut entwickeln die Menschen wieder mit in die Verantwortung zu nehmen. Gesetze müssen die Beteiligung der Menschen an politischen Prozessen fordern. Eine Gemeinde könnte zum Beispiel den Bau öffentlicher Einrichtungen davon abhängig machen, dass alle Bewohner der Gemeinde durch ihre Unterschrift bestätigen müssen, von dem Projekt Kenntnis genommen zu haben. Das könnte dazu führen, dass sich die Bewohner kritisch mit der Planung auseinandersetzen. Niemand könnte behaupten davon nichts gewusst zu haben. Proteste und Rechtsmittel nach Baubeginn könnten dadurch verhindert werden. Bezieht man Menschen auf solche Weise in die Entscheidungsprozesse ein, erwächst daraus eventuell auch wieder politisches Bewusstsein und Engagement.
Allerdings müssen auch die Menschen ihrerseits dazu beitragen, dass ein Wandel gelingen kann. Warum wirft nicht jeder selbst mal einen Blick in die Zukunft. Dies um so mehr, als es den Regierenden ja gerade abgesprochen wird, unsere Zukunft zum Wohle aller gestalten zu können. Vielleicht erkennt er dabei, dass sich die Gesellschaft in eine Richtung entwickelt, wie er selbst sie sich nicht wünscht. Wir wollen, dass wir selbst und vor allem unsere Kinder und Enkel in einer Welt leben, in der sozialer Friede herrscht, in der jeder frei seine Meinung äußern kann, in der wir alle über den Wohlstand verfügen, der uns ein würdevolles Leben sichert. Wo aber bleibt unser eigener Beitrag dazu. Wir wissen doch längst, dass „die da oben“ es nicht richten können. Wir sind der Souverän.
Wir brauchen wieder eine Diskussionskultur, die sich nicht nur auf das Wetter und den letzten Urlaub bezieht, sondern auch den politischen Alltag einbezieht. Wenn jeder seine Meinung und seinen Standpunkt ehrlich vertritt, kommen wir vielleicht zu echter politischer Meinungsbildung, die wir in den politischen Prozess einbringen können.